farb-spiel

Vorfrühling

In dieser Märznacht trat ich spät aus meinem Haus.
Die Straßen waren aufgewühlt von Lenzgeruch und grünem Saatregen.
Winde schlugen an. Durch die verstörte Häusersenkung ging ich weit hinaus
Bis zu dem unbedeckten Wall und spürte: meinem Herzen schwoll ein neuer Takt entgegen.

In jedem Lufthauch war ein junges Werden ausgespannt.
Ich lauschte, wie die starken Wirbel mir im Blute rollten.
Schon dehnte sich bereitet Acker. In den Horizonten eingebrannt
War schon die Bläue hoher Morgenstunden, die ins Weite führen sollten.

Die Schleusen knirschten. Abenteuer brach aus allen Fernen.
Ueberm Kanal, den junge Ausfahrtwinde wellten, wuchsen helle Bahnen,
In deren Licht ich trieb. Schicksal stand wartend in umwehten Sternen.
In meinem Herzen lag ein Stürmen wie von aufgerollten Fahnen.

Ernst Stadler

mehr meer

Er sah den langen, langsamen Pazifikwellen zu, die über den Sand heranrollten, und wartete und wartete auf das Nichts, das, wie er wusste, jeden Moment passieren würde. Als die Zeit kam, dass es nicht passierte, passierte es pflichtgemäss nicht, und so verläpperte sich der Nachmittag, die Sonne hing hinter der langen Horizontlinie des Meeres unter, und der Tag war zu Ende.

Douglas Adams aus: Macht’s gut, und danke für den Fisch

Es muss etwas ungewöhnlich Heiliges im Salz sein: man findet es in unseren Tränen und im Meer.

Khalil Gibran

meer

Wo ist das Meer?

Da, wo Kolumbus Indien sucht,
wo die grossen Schiffe versinken,
wo einem, ohne zu blinzeln,
ein Fisch ins Auge schaut.
wo es aussieht wie auf dem Mond,
wo der Mond aussieht
wie das Ei der Nacht,
wo man sich fragt, ob man umkehren soll
oder nicht,
wo man nicht umkehrt,
weil es schauderhaft schön ist.

Jürg Schubiger

wir haben das meer letzte woche auf fuerteventura gefunden und es war schauderhaft schön …also das meer meine ich. die insel ist es aber auch und der wind war diesmal einfach schauderhaft stark:-)

stilleben

BERUFUNG AUS FEUER UND KUNST

unser ist dieses Epos das die Stille zeichnet
in Farben, Aufstand und Weihrauch

selbst wenn die Schlachten
die Erinnerungen an Meer und Land
nur in Rot meißelten
ist unser die Zukunft zwischen Licht und Schatten
dieses telurische Hochrelief
das sich riesengroß erhebt in der Verschwommenheit aller Morgen
und dem Mosaik der Nachmittage

in den Wellen der Muskeln galoppieren die Farben
im Takt denkender Herzen
und aus Schreien werden weise Wiegenlieder
und lullen das Gedächtnis ein mit seinen Feuerpinseln

wenn stahlätzende Himmel die schlichte Atmung des Traums ersticken
öffnet ein Afrohorizont seine hochleuchtende Fenster
und erhebt das Leben jubelnd zu Oxumaré

in Jahrhunderte währenden Brünsten
trauerten Todgeweihte im indigofarbenen Tränenmeer
heute betont die subtilste epidermische Ähnlichkeit der Geschichte
die Verbindungslinie
des Geheimnisses
die Kühnheit, sich zum Schönen aufzuschwingen
und Glühwürmchen auf die Bildflächen zu säen

ozeanisch
übersteigt diese kollektive Energie die Szene von Stilleben
verklärt den Rahmen
färbt die weiße Wand
und taucht in vielfältigen Ebenen die Perspektive ihrer Flüge

altes grüngelbes Gekritzel bemäkelt die Freiheit
die Hand verewigt sich in chromatischer Vielfalt,
Haut und Landschaft unendlicher Wünsche

alles geschwängert von unaufhörlicher Bewegung
verschiedener Schattierungen der Haut
und dem pulsierenden Rhythmus eines flammenden Rituals.

Cuti